Pion-Zerfall über starke WW

Aloha,

Beim Untersuchen von hadronischen Schauern im Kalorimeter ist mir aufgefallen, dass Pionen scheinbar nie über die starke WW zerfallen. Dadurch, dass es keine „rot-antirot“/„blau-antiblau“/„grün-antigrün“-Gluonen gibt, müsste der Zerfall über die starke WW mit mindestens zwei Vertices passieren. Aber der Vertex-Faktor der starken WW ist doch groß genug, dass dieser Prozess gar nicht unterdrückt wird? Oder übersehe ich vielleicht einen Erhaltungssatz?

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Gute Frage! Zunächst

Doch, es gibt zwei Gluonen, die Kombination von „rot-antirot“/„blau-antiblau“/„grün-antigrün“ tragen. Daran liegt es nicht.

Die Antwort ist für \pi^0 oder von \pi^\pm unterschiedlich.

  • \pi^0: Könnte sich tatsächlich in Gluonen vernichten. Nur Gluonen kommen wegen Confinement nicht frei vor. Sie müssen dann wieder ein oder mehrere q\bar{q} Paare bilden. Überlegen Sie mal, was dann der Energieerhaltungsatz über die möglichen Endzustände für den starken Zerfall sagt.
    Was wäre anders bei einem \rho^0, das aus den gleichen Quarks wie das \pi^0 besteht, nur mit parallelem Spin und daher einer viel größeren Masse von 770 MeV?

  • \pi^\pm: Über die starke WW können sich unterschiedliche Quarks nicht vernichten. Man könnte also nur ein Gluon abstrahlen, das dann ein q\bar{q} paar bildet. Und was kann dann höchstens rauskommen? Ginge das?
    Was wäre anders bei einem \rho^\pm, das aus den gleichen Quarks wie das \pi^\pm besteht, nur mit parallelem Spin und daher einer viel größeren Masse von 770 MeV?

herzliche Grüße
Michael Kobel

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Das muessten dann mindestens zwei gluonen sein. Wegen der Masse und damit sie ein Color-Singlet erzeugen koennen?

  • \pi^0: Wenn das \pi^0 nicht so schnell ist, dann kann es vermutlich nur wieder in ein \pi^0 „zerfallen“: die Ruheenergie von 135MeV sollte nicht ausreichen, um z.B. s\bar{s} zu erzeugen. Aber wenn es genügend kinetische Energie bekommt, sollten doch (zumindest von der Energieerhaltung her) alle möglichen Teilchen erzeugt werden können (\phi^0 = s\bar{s}, J/\psi = c\bar{c})? Allerdings habe ich auch im Griffiths gelesen, dass die OZI-Regel solche Prozesse unterdrückt, weil zwischendurch die entstehenden Gluonen (oder das entstehende Gluon) die gesamte Energie des \pi^0 transportieren müssen. Und durch die hohe Energie der Gluonen sinkt \alpha_s, was den Prozess viel unwahrscheinlicher macht.
  • \pi^\pm: Ich denke, nach der gleichen Argumentation wie oben sollten bei ausreichenden kinetischen Energien doch beliebige Teilchen herauskommen können…

Vermutlich trägt zu dem Effekt bei, dass Prozesse mit hochenergetischen Gluonen unterdrückt werden müssen, weil der Propagator \frac{1}{q^2} bei hohen Energien sehr klein wird.

Edit: Klar! Wenn man sich die Energieerhaltung in 4er-Vektoren-Schreibweise aufschreibt, dann ist klar, dass ein Pion (solange es keine Einwirkung von außen gibt) nur in Teilchen mit gleicher oder kleinerer Masse zerfallen kann (weil einer Wechselwirkung immer nur die Schwerpunktsenergie des Prozesses zur Verfügung steht). Das erklärt, warum es von alleine nicht in andere Teilchen zerfällt (denn es gibt keine leichteren q\bar{q}-Paare).

Könnte man sich dann trotzdem vorstellen, dass das Pion im Kalorimeter schwerere Teilchen erzeugt? Ich kann ja im Zerfallsprozess \pi^0 \to g^{\bar{r}g} + g^{\bar{g}r} ein Gluon umklappen, sodass \pi^0 + g^{\bar{g}r} \to g^{\bar{g}r} entsteht. Das resultierende Gluon kann dann tatsächlich eine viel größere Energie als die Ruheenergie des Pions haben, und einen Teilchenschauer erzeugen. Stimmt das, und ist das ein beobachtbarer Prozess?

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Hallo Gwen und Valentin

Erstmal zu Valentin:

Ja!

Zu Gwen: Genau, alles richtig. Was aber Studierende gerne vergessen ist, dass ein Prozess immer in allen bezugssystemen möglich sein muss, damit er geschieht. Und in der Tat sorgt die Lorentz-Trafo und (E,p) Erhaltung dafür, dass das so ist. Können sie in einem Bezugssystem (E,p) Erhaltung nicht erfüllen, so können sie das in gar keinem.

Das \pi^0 ist das leichteste Meson überhaupt. Es gibt kein leichteres. Sie können sich immer in das Ruhsystem des \pi^0 setzen. Dort kann es sich in der Tat in 2 Gluonen umwandeln, die müssen aber wieder \bar{q}q machen und das kann nur genau wieder ein \pi^0 sein. Es kann also nicht über Gluonen zerfallen, sondern nur in 2 Photonen, was es dann auch tut.
Das \pi^\pm kann wegen der elektrischen Ladung nicht in Photonen und muss deshalb schwach über ein W in \mu\nu zerfallen.

Ganz allgemein gilt der Merksatz, der auch in einer AMCS Frage war, dass die jeweils leichtesten Mesonen eines bestimmten Quark-Flavors (d,s,c,b), also \pi^\pm, K, D, B mit I_3^S \ne 0 (die also nicht wie \pi^0 ihr eigenes Anti-quark enthalten) sehr langlebig sind, weil sie nur über schwache WW zerfallen können.

Weiterführend jenseit der Vorlesung ist die von Ihnen erwähnte Umwandlung \bar{u}u\to gg \to \bar{d}d \to \bar {u}u \to ... genau der Grund warum es keine getrennten Zustände \bar{u}u oder \bar{d}d gibt, sondern diese mischen.

In Materie können Pionen natürlich mit Kernen wechselwirken, dann kann genau das passieren, was Sie sagen: es können \rho Mesonen aus dem \pi^0 entstehen, oder sogar \phi(\bar{s}s) und auch einen ganzen Teilchenschauer, ja.

herzliche Grüße
Michael Kobel

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Das war nicht ganz richtig

Weil \pi^0 ja schon innerhalb 0,1 Femtosekunden in \gamma\gamma zerfallen, kommen sie gar nicht erst in den Detektor. Sie machen also keine starke Wechselwirkung weil sie gar keine Zeit dazu haben. Was ich oben sagte, gilt daher nur für \pi^\pm, wenn sie auf Kerne bzw Nukleonen treffen.