Der Trägheitstensor

Ich versuche grade, diesen Trägheitstensor zu verstehen. Es wurde gesagt, dass die Diagonalelemente von I die Trägheitsmomente des Körpers bei Drehung um die Koordinatenachsen angeben, jedenfalls wenn der Schwerpunkt gleich dem Nullpunkt ist. Das Trägheitsmoment bei Drehung um die x-Achse ist allgemein L = (I_{xx}\omega, I_{yx}\omega, I_{zx}\omega)^T . Deshalb sollte man ja annehmen können, dass, wenn der Schwerpunkt gleich dem Nullpunkt ist, dann auch L = I_{xx}\omega und damit I_{yx} + I_{zx} = 0 gilt.

Betrachten wir aber ein Beispiel mit einem Körper aus 3 Punkten A=(-1,2,0)^T, B=(-1,-1,0)^T, C=(2,-1,0)^T, die alle gleiche Masse haben, dann erkennen wir: Der Schwerpunkt ist gleich dem Nullpunkt, aber I_{yx} = \sum_i x_iy_im_i = m(-2+1-2)LE^2 = -3m\cdot LE^2 (LE sind Längeneinheiten) und I_{zx} = \sum_i x_iz_im_i = 0. Daher hat L in diesem Fall auch bei Drehung um die x-Achse eine y-Komponente, oder? Aber eigentlich (und intuitiv) sollte L ja nur eine x-Komponente haben, wenn der Nullpunkt des Koordinatensystems im Schwerpunkt des Körpers liegt. Was ist da schief gelaufen?

Das braucht nicht zu passieren, wenn man eine Symmetriebedingung an den Körper nicht stellt – wie auch das Rechenbeispiel wohl korrekt zeigt. Der ganze Witz des Trägheitstensors ist ja gerade, dass die Richtungen der Winkelgeschwindigkeit und des Drehimpulses nicht übereinstimmen müssen, und die Außerdiagonaleinträge des Trägheitstensors sind sozusagen gerade dafür verantwortlich, wie unterschiedlich die Richungen sein können :slight_smile:

Danke übrigens, dass diese Frage hier erschienen ist: sie hat viel damit zu tun, was wir potentiell schon nächste Woche in der linearen Algebra machen werden. Man kann nämlich den Trägheitstensor als eine linearen Abbildung I auffassen, die die Winkelgeschwindigkeit \omega auf den Drehimpuls L abbildet: I(\omega) = L. Wie die obige Diskussion zeigt, ist es besonders günstig, wenn das Koordinatensystem (die Basis) so gewählt ist, dass der Trägheitstensor keine Außerdiagonaleinträge hat: wenn man nämlich um die Koordinatenachsen so eines Koordinatensystems dreht, dann stimmen die Richtungen von \omega und L überein. Und eines der wichtigen Resultate in linearer Algebra ist, dass für eine gewisse Klasse linearer Abbildungen so eine Basis immer existiert. In Mathematik spricht man von der Eigenbasis, in der physikalischen Interpretation für I sind das die sogenannten Hauptträgheitsachsen. Also ist es eine direkte Verbindung zwischen Mechanik und linearer Algebra :slight_smile:

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